Wutachschlucht – Veränderungen

Wir wandern in der Wutachschlucht. Mitten im Schwarzwald fern der Auto befahrener Straßen wechseln sich die Landschaften. Dunkle Wälder wechseln sich ab mit dem Fluß, in dem sich die Sonnenstrahlen spiegeln, Moos bewachsene Felsen über die ein Wasserfall herunter rauscht und immer wieder sonnige Wiesen gigantischer rosa-blühender Blumen. Himalaya-Balsamine sagt Flora incognita – meine Pflanzenbestimmungsapp. Im 19. Jahrhundert als Zierpflanze eingeführt wird sie vielerorts als invasiv bekämpft.

Auf der Fahrt zur Wutachmühle las ich, dass der Japankäfer eine invasive Insektenart ist. Die bekämpft werden soll. Wir wurden aufgerufen die Käfer zu fangen und an die Behörden zu übergeben. Auf keinen Fall wieder freizulassen.

Die großen Veränderungen passieren manchmal in kleinen Schritten. Die Evolutionslehre sagt, der Homo sapiens ist sehr anpassungsfähig. Und doch liegt die Veränderung uns nicht direkt im Blut – scheinbar. Wir – die Menschen im allgemeinen – tun uns schwer mit Veränderungen. Sie kosten Energie und sie bergen Chancen. Eine große Veränderung, birgt Gefahren in sich, hat ein Element des chaotischen selbst (oder gerade?) die von Menschen angestoßenen großen Veränderungen. Hätte Maximilien de Robespierre, der die Guillotine für die Terrorherrschaft zu nutzen wusste, gedacht sein eigenes Ende darunter zu finden?

Die existierenden Ordnungen werden bei großen Veränderungen – wie bei der des Klimas – radikal verändert, es wird dabei Gewinner und Verlierer geben. Wir in betonumhüllten Städten, mit festgelegten funktionierenden Lieferketten werden mit hoher Wahrscheinlichkeit zu den Verlierern gehören.

Komplexe Systeme – ob Gesellschaft oder Biotope – überblicken wir nicht. Riesengroße Rechenanlagen versuchen so was alltägliches wie Wetter vorherzusagen, das klappt inzwischen ganz gut für den nächsten Tag. Für weiter entfernte Zukunft werden die Vorhersagen ungenau.

Veränderungen in komplexen Systemen ist nicht das, was wir unter Kontrolle haben können. Selbst eine global genaue Vorhersage lässt sich nicht auf einen Punkt übertragen. Gewitter und Hagel über Karlsruhe heißt nicht, dass auch nur ein Tropfen in der Nordstadt fällt, auch wenn die Pflanzen das Wasser und die Menschen etwas Abkühlung dringend gebrauchen können.

Andererseits treibt uns die Neugier und durchaus auch der Wunsch der Veränderung immer wieder zu neuen Abenteuern. Ob es persönliche Veränderungen sind oder Bau von Schiffen, die unbekannte Gewässer, bzw. – etwas aktueller – Raumschiffe die unvorstellbare Entfernungen lebensfeindlichen Raums überqueren sollen.

Und so wandeln wir zwischen dem Sog des Neuen, dem Wunsch nach Abenteuer und dem Bedürfnis nach Stabilität. Beides wichtig nur nicht in ihrer absoluten Reinform. Das gesunde Optimum liegt wie immer irgendwo zwischen ständig alles neu und Stillstand für immer. Außerdem fühlt sich auch jedes Individuum mit einer anderen Mischung aus Stabilität und Abenteuer wohl. Es ist nicht zu erwarten, dass wir alle in die Raumschiffe steigen und uns auf Abenteuer im All freuen.

Vermutlich ist es sinnvoll die Ausbreitung einer Insektenart versuchen dadurch zu verlangsamen, dass man die Bevölkerung aufruft jeden einzelnen Käfer zu sammeln. Genauso wie es sinnvoll ist, mitten im Schwarzwald sich an Wiesen voller 2-Meter-hohen Himalaya-Balsamine zu erfreuen und sich einbißchen wie in einer fremden Welt zu fühlen.

Die Tour zum Nachwandern gibt es auf komoot:

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