Im Briefkasten finde ich zwei Briefumschläge, die lassen mein Herz nicht höher schlagen. Noch auf der Treppe zur Wohnung reiße ich sie auf. Ein Kredit wird mir angeboten und eine Rechnung ist zu bezahlen.
Lange ist es her, als ich gespannt den Briefkasten öffnete, weil Briefe meiner Freundin regelmäßig drin lagen. Damals dauerte es Wochen bis sie den brökelnden eisernenen Vorhang überquert hatten, bis ich die mit Kuli beschriebenen karierten Blätter aus dem Heft gerissen in der Hand halten konnte. Schneckenpost! Manchmal gab es Fotos als Beilage, aber das war selten. Oft waren kleine Stücke Stoff mit drauaf gestickten Blumen beigelegt, das war damals das Hobby meiner Freundin.
Inzwischen macht sie Blumen aus Glas, die viel filigraner und schöner sind und nicht einfach in einen Briefumschlag passen. Wir schreiben uns auf elektronischem Weg. Im Alltag ist sie näher gerückt, immer im Handy mit dabei und doch waren die Briefe etwas ganz Besonderes. Die habe ich alle aufgehoben und kann darin rumblättern, wenn der graue Herbst Melancholie aufsteigen lässt, dann wird es warm ums Herz. Die bald zerfallenden Blätter in der Hand zu halten und lächelnd mich an die Themen von vor über 30 Jahren erinnern.
Unsere elektronischen Nachrichten habe ich nicht archiviert. ICQ war das erste PC-Programm. Revolutionär. Später Skype, irgendwann sind die Apps auf die Smartphones gewandert. Kein Suchen einer passenden Briefmarke, kein Laufen zum nächsten Briefkasten und vor allem kein wochenlanges Warten.
Ab und zu kommen Postkarten aus den Urlaubsorten meiner Freunde und Familie noch auf dem Postweg an. Ich freue mich sehr darüber. Natürlich werden in Echtzeit Bilder und „heute Lampionfest hier – es ist wunderschön!“ gesendet. Über die Karten freue ich mich nicht wegen der Informationsgehalts – es ist ein Geschenk eine Karte im Briefkasten zu finden. Ein asynchroner Gruß. Die Absenderin hatte sich im fremden Ort die Zeit genommen eine Karte zu finden, einen Kugelschreiber herauszuholen, die richtige Briefmarke und den Briefkasten zu finden. Ein Aufwand, der unnötig ist und deswegen umso wertvoller. Ein Akt der Achtsamkeit, etwas zu tun, nicht um effizient ein Ziel zu erreichen, sondern um des Tuns Willen.
Das ist ein schöner Beitrag über Entwicklung, die Zeit bleibt nicht stehen….
Danke! Ja, irgendwie wird alles schneller. Wir können uns selbst die Langsamkeit einbauen.