Der kleine Welt-„Laden“



Wenn du etwas sehr stark möchtest, wird die ganze Welt dich unterstützen, damit der Wunsch in Erfüllung geht.
Paolo Coelho, Alchimist


Im Hinterhof der Welt war ein kleiner Laden.
Das Schild hatte schon lange gefehlt – irgendwann wurde er von einem Sturm weggeweht, der Inhaber machte kein neues dran, denn alle wussten auch so, dass in diesem kleinen Laden Wünsche verkauft wurden.
Die Auswahl im Laden war riesengroß, hier konnte man fast alles bekommen: große Yachten, Wohnungen, Ehe, den Posten des Vizepräsidenten, Geld, Kinder, Lieblingsjob, schöne Figur, einen Sieg, großes Auto, Macht, Erfolg und vieles vieles mehr. Nur Leben und Tod konnte man hier nicht kaufen, diese wurden nur in der Zentrale verkauft, die sich in einer anderen Galaxie befand.
Es gab Wünschende, die nie in den Laden kamen, sondern nur zuhause saßen und sich wünschten. Diejenigen jedoch, die in den Laden kamen, erfuhren als erstes den Preis für ihren Wunsch.
Die Preise waren unterschiedlich.
Zum Beispiel, kostete der Lieblingsjob den Verzicht auf Stabilität und Vorhersagbarkeit, die Bereitschaft selbständig zu planen und sein Leben zu strukturieren, den Glauben in die eigenen Kräfte und die Erlaubnis dort zu arbeiten, wo es einem gefiel und nicht dort, wo es sein musste.
Macht kostet mehr: man musste auf einige Überzeugungen verzichten, für alles eine rationale Erklärung finden, anderen „nein“ sagen können, seinen eigenen Preis kennen – und dieser musste recht hoch sein, sich erlauben „Ich“ zu sagen, und sichtbar sein, unabhängig von der Zustimmung oder Ablehnung derjenigen, die einen umgeben.
Einige Preise waren seltsam – die Ehe konnte man fast umsonst bekommen, dafür war das glückliche Leben teuer: persönliche Verantwortung für das eigene Glück, die Fähigkeit das Leben zu genießen, seine Wünsche kennen, den Verzicht darauf den Wünschen der anderen zu entsprechen, die Fähigkeit, das was man hat zu schätzen, die an sich selbst erteilte Erlaubnis glücklich zu sein, die Wahrnehmung des Eigenwerts und der eigenen Bedeutung, den Verzicht auf die Sondervergütung für „das Opfer“, das Risiko einige Freunde und Bekannte zu verlieren.
Nicht jeder, der in den Laden kam, war bereit sofort den Wunsch zu kaufen.
Einige gingen weg, sobald sie den Preis gesehen hatten. Andere standen lange überlegend, zählten ihr Guthaben zusammen und überlegten, wo sie die benötigten Mittel bekommen könnten. Einige klagten über die sehr hohen Preise, baten um Preisnachlässe oder erkundigten sich nach Ausverkäufen.
Es gab aber auch solche, die alle Ersparnisse auf den Tisch legten und den besonderen Wunsch bekamen eingewickelt in schönes, raschelndes Papier. Andere Käufer schauten diese Glücklichen an und lästerten, dass der Inhaber des kleinen Ladens vermutlich ein Bekannter von ihnen war und sie die Wünsche geschenkt bekamen, ohne jede Anstrengung.
Der Ladeninhaber wurde oft darum gebeten die Preise zu senken, damit es mehr Käufer gab. Aber er lehnte immer ab, weil darunter die Qualität der Wünsche leiden würde.
Wenn der Inhaber gefragt wurde, ob er keine Angst hat insolvent zu werden, schüttelte er nur den Kopf und antwortete, dass es immer Tapfere geben wird, die bereit waren zu riskieren und ihr Leben zu ändern. Sie würden den verlässlichen, gewohnten Weg verlassen und würden sich selbst testen, sie hätten Kraft und Mittel, um die Erfüllung ihrer Wünsche bezahlen zu können.
Auf der Tür des Ladens hing seit guten hundert Jahren ein Zettel auf dem Stand:
„Wenn dein Wunsch noch nicht in Erfüllung gegangen ist, dann ist er noch nicht bezahlt.“

von Kipra Marina Ivanova
https://www.b17.ru/article/39399/
Übersetzung aus dem Russischen