Verkleidung

Bald ist Fasching, dann verkleiden wir uns so, dass alle Menschen um uns, unabhängig davon, ob sie uns kennen oder nicht, es sehen können.
Mit Rollen, in die wir täglich wechseln, ist es etwas anders. Meine Kinder kennen mich als Mama, haben mich aber auch schon als Kind neben meiner Mutter oder als Spezialistin bei der Arbeit erlebt. Diese Rollen oder zweckmäßige Facetten unserer selbst, erkennen nur diejenigen, die uns nahe stehen.

Beim Pendeln fallen mir letzte Zeit ganz Verkleidungen anderer Art auf. Gestern sah ich zwei junge Mädels, vermutlich etwa 16 Jahre alt. Makelloses Make-up, verlängerte Wimpern, glänzende Lippen, streng zum Dud gespannte Haare. Jedes Häarchen saß perfekt. Nur zwei kleine Löckchen im Nacken verrieten, dass die Haare sonst nicht so glatt-gehorsam sind. Hätten die Damen Abendgarderobe angehabt,  wären sie mir nicht so aufgefallen, wie in den verwaschenen, ausgebeulten Jogginghosen. Ich weiß,  dass meine Wertschätzung der Jogginghose nicht mit der aktuellen Bedeutung dieses Kleidungsstücks zusammen fällt. Ich gehöre zur Generation, für die Jogginghose eine Sportbekleidung ist. Gemütlich zuhause darf sie noch getragen werden. Ich wundere mich nicht mehr über die Allgegenwart dieses Kleidungsstücks, aber diese Diskrepanz – bühnenreifer Kopf und Schlabberhose hatten für mich sofort die Assoziation einer ungelungenen Verkleidung. Waren Models unterwegs, die sich gemütlich verkleiden wollten oder hatten die Mädels, wie ein berühmter Modedesigner es ausdrückte, die Kontrolle über ihr Leben verloren und versuchten sich als Modells zu verkleiden?