Gemeinsame Herausforderungen

Ich bin unterwegs mit dem Zug und lese gerade ich in einer Lokalzeitschrift die Antwort eines Grundschulkindes auf die Frage, was findest du bei Erwachsenen seltsam: Sie können so schwer Freundschaften schließen. Wir tun uns tatsächlich schwer, allein schon jemanden anzusprechen. Es sei den, es passiert etwas…

Im Zug sitzen alle in ihre Kapseln eingepackt: Augen geschlossen – dösend, Kopfhörer aufgesetzt – Musik hörend, Laptop oder Buch aufgeklappt, ein Pärchen unterhält sich leise – jeder in seine Welt versunken. Nach der ersten Durchsage: „Wegen einer technischen Störung verzögert sich unsere Weiterfahrt um einige Minuten“, wandern die Blicke hoch, von wem bin ich umgeben und haben die Mitreisenden mitbekommen, dass uns ein Abenteuer bevorsteht – hoffentlich ein kleines.

„Die Ursache der technischen Störung ist noch nicht gefunden, die Weiterfahrt verzögert sich noch unbestimmt“, heißt es gute 10 Minuten später. Die einen rollen die Augen, die anderen lächeln sich gegenseitig verschwörerisch an: mal sehen, wie lange wir hier zusammen sitzen.

Nach der dritten Durchsage: „Die Software wird durchgestartet, wir hoffen, danach ist das Problem behoben“, fangen die Spaßvögel an, Witze zu reißen, die Vielfahrer erzählen von früheren Erlebnissen oder kuriosen Durchsagen. Es kommt Leben in den Waggon.

Beim Plaudern vergeht die Zeit wie im Flug. Nur einzelne Telefonate, die Termine absagen, erinnern an die verrinnende Zeit. Als es eine halbe Stunde später heißt: „Die Weiterfahrt mit diesem Zug ist leider nicht möglich. Steigen Sie bitte aus“, verlassen keine Fremde mehr den Wagen. Es sind Heinz und Lotte, die zum ersten Mal mit dem Zug reisen und etwas verloren sind. Herr Weber, der zu spät zum wichtigen Treffen kommt und dies bereits telefonisch durchgegeben hat. Timo, der diese Strecke täglich pendelt und weiß, wie man am besten von hier weg kommt. Die Leute sind keine anonymen Mitreisenden, die Bahn hat für eine gemeinsame Herausforderung gesorgt. Es freut mich so viel Unterstützung von – vor kurzem noch – Fremden zu erleben. Heute habe ich die Zeit und kann die Verspätung ohne Sorgen erleben.

Ich halte mich an Timo, um trotzdem die Verzögerung nicht unnötig auszudehnen, und sage „Thank you for travelling […] Deutsche Bahn“.