Der lange Weg zum Paradies

Heute früh schaue ich auf die Karte und muss schmunzeln. Ich erinnere mich, wie überrascht ich war, das Paradies auf einer Karte verorten zu können, als ich es in Konstanz entdeckte. Diesmal übernachte ich etwas außerhalb der Innenstadt und muss ein gutes Stück laufen, um zum Paradies zu kommen.

Zum ersten Mal lese ich „Paradies“ als Name eines Hauses des Studierendenwohnheims – sieht gar nicht paradiesesch aus. Zumindest nicht so wie man sich *das* Paradies vorstellt. Bis zur Altstadt möchte ich laufen, fasse ich den Vorsatz, um das Paradies vom letzten Besuch wieder zu entdecken. Dann zieht aber der Kaffeeduft bei einem Bäcker mich vorzeitig zum Verweilen an.

Kaffee schlürfend sitze ich und überlege, das Paradies hatte ich anders in Erinnerung, diese Seite des Stadtteils hatte ich nicht gesehen. Fünfstöckige Häuser, die fast lückenlos die Straßen säumen. Dazwischen immer wieder kleine bunte Blumeninseln. Die Verkäuferin scheint fast alle, die in die Bäckerei reinkommen, zu kennen. Die Straße ist zwar von parkenden Autos gesäumt, es sind aber nur Fußgänger und Radfahrer – jedes Geschlechts – unterwegs.

Das Gebäude gegenüber schmücken ein Kopf eines Mannes und einer Frau, die dem jeweils direkt anfauchendem Drachen ebenfalls Rauch entgegensetzen.

Doch. Auch das hat etwas vom Paradies. Man sollte nur die Aussicht nach de Saint-Éxuperie nicht vom Auge sondern vom Herzen leiten lassen.

Als ich meinen Weg fortsetze wechselt die Gemütlichkeit der einzelnen Fußgänger und Radfahrer zu einer gefährlichen Hektik. Eine Art Fahrradautobahn kreuzt meinen Weg, die links in einer Brücke mündet. Ich lasse meinen Vorsatz los und folge dem Weg, den rasenden Rädern aus dem Weg springend. Fußgänger sind bei der Planung dieser Fahrradstraße nicht mitgedacht worden.

Auf der Brücke wird mit der Geruch des Wassers wieder bewusst, der ist mir schon beim Verlassen des Hotels aufgefallen. Gestern hatte ihn die Hitze erdrückt. Die Morgenluft ist erfüllt damit. Es ist auch gerade etwas ruhiger, da rieche ich mehr, so als ob die Geräusche die Gerüche überdecken würden.

Auf der anderen Seite ist die Rheinpromenade mit Grünflächen, neueren Gebäudekomplexen und gehobener Gastronomie. Auch schön, aber nicht das Paradies. Oder doch? Vielleicht muss man gar nicht so weit gehen, um das Paradies in einem selbst an jedem Ort wahrnehmen zu können.

Die Route zum Nachspazieren auf komoot.