Im Sommer am Meer

Abdrücke von zwei nebeneinander laufenden Menschen im Sand

Kopf gegen Gefühl

Als mein Schatz und ich frisch zusammen waren, sagte er: „Ich bringe dich an die Nordsee.“ Meer mag ich gern, ich bin regelmäßig am Mittelmeer, die Nordsee ist auch ein Meer, was konnte schon schief gehen?

Als Vorbereitung hatte ich die Stadtbibliothek durchstöbert. Wissen aus Büchern und Tipps von Freunden mit Nordseeerfahrung kamen zusammen. Zur Garderobe hieß es: „Nimm’ auf jeden Fall was Windfestes mit – das wird dann auch wasserfest sein. Notfalls holst dir dort einen Friesennerz!“ Friesennerz war nicht das einzige neue Wort, das ich gelernt hatte. „Wattenwanderung unbedingt empfehlenswert, aber auf keinen Fall auf eigene Faust!“ Damit glaubte ich für einen Urlaub an der Nordsee gerüstet zu sein.

Was man weiß und wie es sich anfühlt können sehr unterschiedlich sein. Als wir dort ankamen, hatte sich alles anders angefühlt.

Ich wusste von der „steifen Brise“, aber die Erfahrung von einem Wind beim fröhlichsten Sonnenschein, bei dem ich glaubte die eigenen Gedanken nicht hören zu können, das kann man nur fühlen. Während mein Schatz am Damm entlang radelnd über die Schulter schrie: „Kann man hier nicht schön entspannt fahren!?“, kämpfte ich mich gegen den Wind ab. Die Frage, passen wir zusammen, drehte sich so mühsam im Kopf, wie die Pedale am Fahrrad.

Die Watt-Wanderung hatte sich als ein kurzer Spaziergang mit vielen Erklärungen zu Lebewesen im Schlamm herausgestellt, gewandert wurde nicht.

Am sonnigsten Tag auf dem windgeschützten Balkon wollte ich ins Meer tauchen. Am Strand angekommen hatte der Wind die Hitze bereits weggeweht. Als ich ins Meer stieg, war der Wunsch einzutauchen zusammen mit meinem Füssen erfroren. Während mein Schatz bereits ungerührt seine Bahnen schwamm.

Beim Mittelmeer denke ich an Aphrodite, die aus der Muschel im Meeresschaum steigt. An der Nordsee ist das Leben aus dem Schlamm, kriechend und scharfkantig. An „meinem“ Meer freute ich mich jeden Abend im schönen Outfit zum leckeren Abendessen zu gehen. An der Nordsee waren wir zum Abendessen geradelt, um weit vom Strand einen Versteck im Strandkorb zu finden. Stöckelschuhe und Sommerkleid unter der Regenjacke waren kein Outfit, in dem ich mich wohlfühlte.

Urlaub am Mittelmeer bedeutet sich wie Göttin zu fühlen. Urlaub an der Nordsee ist, um der Zivilisation zu entkommen und gegen die Natur zu bestehen.

Mein Kopf fragte: Kann ich mit einem Mann zusammen sein, der das für einen Sommerurlaub am Meer hält? Mein Gefühl sagte mir: ich habe den richtigen Menschen an meiner Seite.

„Bist du bald fertig?“ Als ich diese Zeilen schreibe steht mein Schatz in der Badehose mit dem Strandtuch über der Schulter vor mir. Wir sind gerade am Mittelmeer. Er schwimmt auch hier gern seine Bahnen und gestern hatten wir am Strand Volleyball gespielt und damit eine neue Gemeinsamkeit entdeckt.

Der Widerspruch zwischen Gefühl und Kopf ist vielleicht nur ein Zeichen, dass noch etwas angepasst werden muss. Das Gefühl zeigt als Kompass die Richtung, den richtigen Weg sollte der Kopf suchen.