Das Zuhause meiner Kindheit scheint im ewigen Sommer zu liegen. Wenn ich mich erinnere, dann ist es warm und sonnig und der Himmel ist blau. Die Straßen waren so heiß, dass wir Kinder von einem Schatten zum nächsten sprinteten, um die Fußsohlen nicht zu verbrennen.
Opa hatte einen großen Garten außerhalb der Stadt mit einem Wochenendhaus – ein Eingangsbereich und zwei Zimmer. Zum Plumsklo mussten wir den langen – im Dunkeln unheimlichen – Weg entlang der Jostabeerenbüsche laufen. Wasser gab es kalt aus dem Wasserhahn vor dem Haus. Daneben gab es auch die Sommerküche mit einem Gasherd. Die sogenannte Datscha der Großeltern, in der wir die Hälfte der langen Sommerferien verbrachten.
Vor dem Grundstück, das sich in eine Reihe ähnlicher Gärten einreihte, floss Wasser zu einem Wasserkraftwerk in einem künstlich angelegten Kanal. Das Wasser kam aus den Bergen. Aufgeheizt sprangen wir rein und stiegen 5-6 Meter weiter Strom abwärts aus dem Wasser. Es war tief und es gab nur einzelne Stellen, an denen man aus dem Wasser steigen konnte. Die Berge, die den Kanal aus den Gletschern mit Wasser speisten, waren so nah, dass das Wasser eisig kalt war. Jedes Mal beim Reinspringen blieb mir die Luft weg. Die Badesaison wurde traditionell beim Grillen am 1. Mai eröffnet. Zum Ende des Sommers war das Wasser bestimmt einige Grad wärmer und für uns die Kinder gewohnter, so dass das Eintauchen sich dann nicht mehr so schlimm anfühlte.
Wenn wir aus dem Kanal kletterten, legten wir uns flach auf die aufgeheizte Straße, die wir davor kaum barfuß überqueren konnten und genossen das Prickeln auf der Haut. In der prallen Sonne heizten wir uns so lange auf, bis die Kälte des Wassers uns mehr anzog als abschreckte.
Regen war im Sommer eine Seltenheit. Als es einmal gewitterte und starker Regen fiel, war es so außergewöhnlich, dass ich mich heute noch ganz deutlich daran erinnere. Wir versteckten uns im Haus, standen aber an der offenen Tür, um das Schschauspiel zu verfolgen. Sofort entstanden Pfützen und die riesengroßen Tropfen warfen vereinzelt große Blasen darauf. Als der Donner sich entfernte, fragte meine Mutter, ob wir nicht raus wollten. Meine Schwester und ich streiften die Kleider ab und rannten in den Unterhosen auf die Straße. Die Regentropfen waren wie lauwarme Dusche, so dass der Straßenbelag in der kurzen Zeit nicht abkühlen konnte. Ich war sechs oder sieben, die Erinnerung daran ist noch ganz lebendig: Der raue, warme, nasse Asphalt an den Füßen, die Spritzer, wenn ich in die Pfütze sprang, die mir nichts ausmachten, weil ich schon vom Regen nass war; die Wärme der feuchten Luft, die nach Gewitter und feuchtem Lehm roch.
Als meine Freundin aus Taschkent, die auch seit längerem in Europa lebt, vor einigen Jahren im Sommer in Taschkent war, schrieb sie mir: „Keine Ahnung, wie wir hier gelebt haben. Am Tag kann ich aus dem klimatisierten Hotelzimmer nicht raus. Draußen ist es wie im aufgeheizten Backofen.“
Ich kann mich an die anstrengende Schwere der Hitze nicht erinnern, wohl aber daran, dass nachts bei Oma alle Fenster offen waren, die sie, noch bevor wir wach wurden, schloss und mit Fensterländen vor der Sonne schützte. An besonders heißen Tagen setzte sie sich auf den gekachelten Boden im Bad und ließ kaltes Wasser aus der Brause über der Badewanne laufen. Das kühlte die trockene erhitzte Luft.
Die Entscheidung, nicht im Sommer das Zuhause meiner Kindheit zu besuchen, hängt mit dieser Erinnerung zusammen und der Tatsache, dass meine Oma damals 10, höchstens 15 Jahre älter war als ich jetzt bin. Die Reise ist für April geplant. Die Durchschnittswerte lassen auf schöne Tage voller Sonne im blauen Himmel hoffen.
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