Märchenhaft

Orientalsiches Gebäude mit der blauen Spitze einer Moschee auf der linken seite.

Allein der Registanplatz sieht märchenhaft aus – die Hauptattraktion in Samarkand – und zwar zu jeder Tageszeit. Der Platz sieht genauso unglaublich schön wie auf den Bildern aus. Real beeindruckten mich zusätzlich die Größe und Weite der architektonischen Komposition, die dem Ganzen etwas majestätisches verleiht. Dabei ist es kein königlicher Platz , sondern eine Ansammlung von drei Koranschulen und dazu gehörenden Moscheen. Durch die wechselhafte Geschichte dieses Landes, das von verschiedenen Eroberern immer wieder überfallen und beherrscht wurde, scheint hier nichts dogmatisch zu sein. Die Gebäude sind durchaus mit Sonnenlöwen und anderen in Mosaik gelegten Tieren geschmückt. Darauf angesprochen, wie es sich mit der Religion, die die Abbildung von Lebewesen verbietet, verträgt, antwortet unser Guide: „Das sind ja keine echte Lebewesen, das sind Fabelwesen, das geht!“

Erst kurz vor der Reise erfuhr ich, dass in Samarkand oder – seit der Umstellung der usbekischen Sprache auf lateinische Schrift – Samarqand die Geschichte von 1001 Nacht ihren Ursprung nahm. Alle Versuche ein Märchenmuseum oder irgendeine Erinnerung an diese große Geschichtensammlung für Touristen aufbereitet zu finden, schlugen fehl. Kein Wunder, der Start nahm mit einer untreuen Frau in Samarqand ihren Lauf, dieses märchenhafte Ereignis möchte die Stadt nicht manifestieren.

Der Blick auf den Registanplatz mit all seinen bunten Mosaiken und beeindruckenden Bauten ist dagegen wirklich märchenhaft. Der Eindruck etwas aus der Welt gefallen zu sein verstärkte sich beim Spaziergang durch die Fußgängerzone – eher eine Seltenheit bei unseren Ausflügen, die mit Souvenierläden und Cafés für Touristen gesäumt ist. Erst im Nachhinein fiel mir auf, dass auch das Grün, das die Straßen säumte und die Parks mitten in der Stadt den märchenhaften Eindruck bei weit über 20 Grad im April ergänzten.

Ein Innenhof lockte uns mit dem Versprechen „National Crafts“. Der Hof war größer als das kleine Eingangstor vermuten ließ. Auf zwei Stockwerken waren kleine Boutiquen mit verschiedenstem Kunsthandwerk verteilt. Es war wie ein Museum zum Anfassen. Als ich ein wunderschönes seidenes Tuch mir etwas genauer an einer Boutique mit Kleidung anschaue, heißt es es sei wie alle kleider hier „vintage“ in den 70ern Jahren des letzten Jahrhunderts produziert. Zu Sowjetzeiten hatte man noch qualitativ hochwertige Stoffe produziert, berichtet mir die Verkäufern zutraulich. Wenn ich das Tuch mag, würde sie es mir für 120 Dollar verkaufen. Als ich ihr erkläre, dass es außerhalb meiner Preisspanne ist, auch wenn das Tuch das bestimmt wert sei, möchte sie wissen, wie teuer denn die Halstücher seien, die ich sonst kaufe. 10 Euro untertrieb auch ich, da ich inzwischen mitbekommen hatte, wie das läuft. Dieses würde ich für 20 nehmen. „Fünfzig Euro“, sagt die Verkäuferin. ich wende mich zum Gehen. „OK, 20!“ ruft sie mir hinterher. Das Tuch war schön, die Absicht es zu kaufen hatte ich nicht, viel zu groß für ein Halstuch, viel zu schade für ein Pareo. „Nein, danke“, verlasse ich die Boutique und überlege, wenn hier industriell Erzeugtes aus den Sowjetzeiten Platz findet, was ist das Handwerkliche an diesen Erzeugnissen? Ich hoffe, es ist das Verhandeln um den Preis, den sonst bleibt nur die Art der Beschaffung übrig. Eine Höhle mit einem geheimen Passwort für den Eintritt erscheint vor meinem inneren Auge – für mich bleibt die Stadt mit 1001 Nacht verknüpft. Berichte über Sowjetfunktionäre, bei denen ähnlicher Reichtum versteckt gefunden wurde vor vielen Jahren, als die Sowjetunion zerfiel. Ich lasse es, mir zu viele Gedanken darüber zu machen, ich nehme den Eindruck des Märchenhaften mit.

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