„Usbeken waren keine Nomaden im Gegensatz zu anderen Völkergruppen in Mittelasien“, wand meine Mutter ein, als der Ausflug in die Wüste mit Übernachtung in einem Nomadenzelt feststand. Da Usbekistan als Land erst durch Aufteilung der „Turkmentischen Gebiete“ unter der Imperialmacht Russland Anfang des 19. Jahrhunderts entstanden war, waren wir wohl trotzdem nicht weit von der Wirklichkeit entfernt, denn der Ausflug ging ganz in den Norden an die Grenze zu Kasachstan. Das „Nomadendorf“ war eine Touristenattraktion, wir hatten nicht wirklich Nomaden getroffen und die Zelte mit einer Steckdose und einer Glühbirne im Inneren waren auch nicht ohne weiteres mobil.
Wir hatten Glück mit der Jahreszeit, Ende April ist die Wüste grün und als wir uns von den Städten entfernten, fiel es nicht auf, als wir bereits in der Wüste waren. Der braune feine Sand sah aus dem Fenster unseres Minibusses wie Erde aus, einige karge Büsche, die anscheinend ganzjährig wachsen, mit schmalen hellgrünen Blättern, die eher wie Nadeln aussahen, waren von nicht sehr dichtem, aber grünem Teppich umgeben, der durch rote Tupfer des Mohns aufgelockert war.
Den Lärm der Fahrt und der Städte noch im Ohr erkundeten wir unsere Behausung für die Nacht. Ein feststehendes einstöckiges Gebäude als Speisesaal, ein größeres Holzhaus mit Waschbecken und Toiletten – wie auf den Campingplätzen standen am Rande der Zelte. Die Zelte in einem Ring angeordnet waren auf Holzgestell übergeworfene Teppiche und Stoffe. In jedem Zelt jeweils vier Betten an den Wänden entlang – anders hätten sie nicht reingepasst – und eine Truhe waren die einzigen Möbelstücke. Unter den Teppichen, mit denen der Boden ausgelegt war, war direkt die Erde.
Nach einem leckeren portionierten Abendessen mit Suppe, Salat und Hauptgang sowie Obst und süßen Teilchen zum Nachtisch, gingen wir auf den höchsten Sandhügel am Rande der Zeltformation und beobachteten den Sonnenuntergang. Erst da sind wir in der Weite und Stille der Wüste so richtig angekommen.
Als es dunkel wurde, wurde auf dem Platz in der Mitte des Rings aus Zelten ein Feuer angemacht und ein Sänger mit einer Dombra hatte mit Liedern auf kasachisch die Stille wieder in die Ferne rücken lassen. Als die Vorstellung zu Ende war, Umfing uns eine Dunkelheit und Stille, die ich lange nicht mehr erlebt hatte. Kein Rauschen der Autobahn in der Ferne, keine gelegentlich darüber fliegenden Flugzeuge – einfach nur Stille. Und einige Schritte von den Zelten entfernt, hinter dem ersten Hügel, war der Himmel tief schwarz mit vielen hellen Sternen. Wie auf einem Bild.
Die Nacht war abenteuerlich: Die Betten hatten keine weiche Matratze, und so war ich nachts immer wieder von den Schmerzen auf der harten Unterlage zu liegen wach geworden und habe mich langsam auf die andere Seite gedreht. Die Eingänge der Zelte waren mit einem schweren Teppich zugehängt, entsprechend war die Kälte der Wüstennacht durchaus auch im Zelt zu spüren.
Am nächsten Tag war in der strahlenden Sonne die Kälte und Dunkelheit wie weggezaubert. Die Hitze hat einen eigenen Sound. Von der Stille war nichts geblieben. Surren und Flimmern hatten uns auf einer Wanderung zum Aydar-See begleitet unabhängig davon, ob wir zu Fuß gingen oder auf den Rücken der behäbigen Kamele, die mit langen langsam bewegenden Beinen sehr schnell und geräuschlos die Strecke zurücklegten.