Im Zuhause meiner Kindheit war es immer lecker. Vor allem weil meine Mutter einfach himmlisch kocht, sicher auch, weil in Usbekistan die Gerichte einfach lecker sind.
Auf den Bürgersteigen saßen meist Frauen, die „лепёшки“ [lʲɪˈpʲɵʂka] Fladenbrote zum Teil noch warm aus dem Ofen verkauften. Geschmacklich erinnern die türkischen Fladenbrote in Deutschland daran. Die usbekischen waren aus grauem Teig, kleiner und rund mit einer dünnen knackigen Mitte. In etwa so https://ecomarket.ru/lepeshka-uzbekskaya.html
Sonnenblumenkerne wurden als Knabberzeug zum Mitnehmen in Trichtern aus Zeitungspapier mit Gläsern abgemessen. In etwa so https://blacklexicon.ru/wp-content/uploads/2018/01/kulek-semechek.jpg
Außerdem gab es salzigen Käse in Kugeln gerollt und getrocknet – Kurt (der Name klingt sehr deutsch :-)) Auch den aßen wir gern. Meine Mutter mochte ihn nicht. Sie erzählte uns, der Käse würde in den Achselhöhlen gerollt bis er fest und salzig genug ist, damit wir uns davor ekelten und ihn nicht aßen – wir taten es heimlich. https://uzbekistangid.ru/blyuda/syr-kurt
Das sind nur die Leckereien, die auf dem Bürgersteig ausgelegt verkauft wurden. Es gibt noch viel mehr sehr leckere Gerichte – лагман [ɭˈɑɡmʌn] – lange Nudeln, die mit einer Gemüse-Fleisch-Brühe übergossen werden. Schaschlik, Teigtaschen mit Fleisch und Gemüse entweder gedämpft манты [mˈɑnty] oder in Blätterteig und ausgebacken самса [sˈɑmsa].
Doch der König der usbekischen Gerichte ist Plov. Im Grunde ist es ein Eintopf oder neu – One-Pot-Gericht, aber diese Bezeichnungen werden ihm nicht gerecht. Bei Eintopf denkt man an etwas, dass in einem Topf für ein schnelles Ergebnis zusammengerührt wird. Das passt zu dem usbekischen Nationalgericht überhaupt nicht. Es wird traditionell an Feiertagen zubereitet und zwar von Männern! In einem Land, in dem es das Wort Gleichberechtigung vermutlich gar nicht gibt.
Der usbekische Plov ist am gelben Reis mit Karotten und Fleisch zu erkennen. Je nach Koch können noch andere Zutaten wie Knoblauch, Kichererbsen und anderes mehr enthalten sein. Das wichtigste Qualitätsmerkmal – der Reis klebt nicht.
Lange hatte ich Ehrfurcht davor mich an diesem Gericht zu versuchen. Letztes Jahr habe ich mich endlich getraut. Nach dem Rezept hatte ich nicht meine Eltern gefragt, die Plov bereits zu oft zubereitet hatten und eigene Abwandlungen haben. Ich fragte bei meiner Freundin nach, die die Erklärungen und Empfehlungen ihres Mannes zusammen mit einem Link mit einem Video und den Geheimnissen dieses Gerichts von einem bekannten Koch an mich weiterleitete. Für alle die russisch können unter https://youtu.be/rtxBS0sfXY0?si=sN6SyNYxt1zRswpD nachzuschauen.
Der Plov ist mir gelungen – die europäisierte Abwandlung davon, das Fleisch war Rind und nicht Hammel. Es gab einen schönen Abend in einer netten Runde, bei der gegessen, getrunken und gelacht wurde. Das Bild im Header dieses Beitrags hatte ich gemacht, nachdem die Gäste weg waren. Der Tisch mit benutztem Geschirr und fast leeren Schüsseln ist seit meiner Kindheit der richtige Abschluss für einen schönen Abend. Damals verwandelte sich unser Wohnzimmer in einen Festsaal mit einer langen Tafel, an der alle Gäste – Kinder wie Erwachsene – Platz fanden. Es war lecker – meine Mutter verbrachte dafür lange Zeit in der Küche. Die Abende waren nicht so selten, dass ich einen bestimmten abrufen kann. Es gab sie immer wieder und in meinem Gedächtnis ist eine diffuse Erinnerung, bestehend aus vielen ähnlichen Erlebnissen. Aber an den Geschmack der Reste beim Aufräumen des Tischs, die ich direkt aus den Servierschüsseln essen durfte, an den erinnere ich mich ganz genau. Das schmeckte immer viel leckerer als ordentlich vom eigenen Teller gegessen.