Lächelnd betreten die Bürger:innen am sonnigen Sonntag das Klassenzimmer der Maryland-Schule, lassen sich durch die Wahlhelfer leiten und werfen ihren Wahlzettel in die Urne ein. „Danke für Ihren Einsatz!“ bekommen wir immer wieder zu hören. Ich bin zum ersten Mal Wahlhelferin.
Den frühlingshaft sonnigen Tag hätte ich lieber draußen verbracht. An die Wetterprognose hatte ich nicht gedacht, als ich mich dafür entschied, den größten Teil des Sonntags in einem Klassenraum zu verbringen. So ist das mit den Übungen, am liebsten würde man die Zeit anders verbringen, aber sie sind wichtig, um das Gelernte zu wiederholen, es anzuwenden und zu erfahren, wie es sich anfühlt. Als es hieß, die Wahl wird schwierig zu organisieren sein, unter anderem weil Wahlhelferinnen und Wahlhlfer in der kurzen Zeit nicht zu mobilisieren sind, wollte ich helfen. Wie schwer kann das sein? Erst als ich den dicken Umschlag mit dem Leitfaden für Wahlhelfer:innen in meinem Briefkasten gesehen habe, ist mir klar geworden, dass ich als Wählerin bis jetzt nur einen Teil des Vorgangs kenne.
Also ging es vor dem Wahltag damit los das Gelernte zu wiederholen, das konnte ich auch in einem Onlineportal machen. Es gab mehrere kleinere Lerneinheiten mit jeweils einem Abschlussquiz, um sicher zu gehen, dass man alles verstanden hat. Von Vorbereitungen, über Verhalten während der Wahl bis zur Auszählung der Stimmen – für jede Aktivität gibt es Vorschriften zu beachten und es werden Abläufe empfohlen. Die Aufstellung der Wahlkabinen, Verbot von Selfies mit seinem ausgefüllten Stimmzettel bis hin zum Verbot der Parteienwerbung im Wahllokal – alles ist darauf ausgerichtet, dass die Wahl frei und im Geheimen erfolgen kann. Klar, die Legitimation einer demokratischen Regierung ist in der korrekten Durchführung der Wahl begründet. Die leichtfertige Meldung zum Aushelfen war zu einer Aufgabe zur Sicherung der Demokratie geworden. Als ich das begriffen hatte, war ich mit Demut erfüllt.
Entsprechend aufgeregt war ich – viel zu früh für einen Sonntag – aus dem Bett gesprungen und bei blauem Himmel zu meinem Einsatzort gelaufen. Der Wahlleiter war erfahren und hatte mit seiner Ruhe, Zuversicht ausgestrahlt, dass alles gut laufen wird. Und so war es dann auch.
Einfach ist es, wenn die Wähler mit der Wahlaufforderung und dem Personalausweis in den richtigen Raum kommen. Am Ende, mit etwas über 600 abgegebenen und ausgezählten Stimmen, gab es natürlich auch andere Fälle. Wähler:innen, die eine Briefwahl beantragt hatten, dann aber nicht auf die Post vertrauen wollten, Wähler:innen, die ihren Wahlschein nicht dabei hatten – für alle gab es eine Lösung: eine Wählerin, die nicht in ihrem Wahllokal wählen konnte, weil der Zugang nicht barrierefrei war, und sie deswegen mit ihren Eltern in das Wahllokal der Eltern mitgekommen war. Da es sicher gestellt sein muss, dass jede:r Wähler:in nur einmal wählt, konnten nicht alle einen Stimmzettel einwerfen. Aber es gab für alle eine Lösung, die im aufwendigsten Fall noch am Wahltag einen Gang der Wähler:in zum Wahlamt bedeutete.
Es war ein wunderbares Erlebnis. Familien waren gekommen, mit Kindern die bereits selbst wahlberechtigt sind und gewählt hatten. Schulkinder hatten ihre Eltern begleitet, mit genauen Erklärungen, wie das mit der Wahl funktioniert. Eine Wählerin, die kaum laufen konnte und mehrere Minuten vom Eingang in den Raum zur Wahlkabine gebraucht hatte, klagte darüber, wie schwer das jetzt sei, aber für die Enkel müsse sie das tun. Aufgeregte Erstwähler, die sich durchleiten ließen und nach dem Einwurf des Stimmzettels etwas verloren wirkten: „Das war’s?“ Und immer wieder lächelnde Gesichter und ein Dank an die Wahlhelfer:innen. Die Wahlhelfer, die schon öfter ausgeholfen hatten, hatten berichtet, dass das nicht immer so sei.
Nach dem letzten atemlos erschienenen Wähler, hatte der Wahlleiter die Wahl kurz nach 18 Uhr für beendet erklärt. Die Stimmzettel wurden zunächst sortiert und danach ausgezählt. Der Stapel der einen Partei, die ich für unwählbar halte, wurde am Anfang schnell immer höher. Die Zettel in der Hand zu halten und nichts anderes zu tun, als sie auszuzählen – das hatte mich sehr gefordert. Die Antwort auf das Gefühl „Da muss ich doch was tun!“ konnte nur heißen – die Grundfesten der Demokratie stärken und alles zuverlässig zählen. Auch die Stimmen, die für mich überhaupt nicht passen, haben ihre Berechtigung. Dafür bin ich als Wahlhelferin da, damit alles ordentlich abläuft. Und das heißt auch den Stimmen, die man überhaupt nicht versteht, ihre Geltung zu verschaffen.
Am Abend, als die Sonne weg war und ich müde nach Hause ging, stand für mich fest: Bei der nächsten Wahl helfe ich wieder aus. Denn sowohl die Bürger:innen, die die Wahl ernst nehmen, als auch die Auszählung, die zum Teil zehrend war, haben mir eins bestätigt: Ich bin froh hier in diesem Land mit diesem System zu leben und die Demokratie mitzugestalten.
Ja 😀 – so habe ich auch meinen Einsatz als Wahlhelferin in einer anderen Schule erlebt.