Kleiner Laden in Freiburg

Die kleinen Läden geben jeder Stadt ihren ganz eigenen Charme. Als meine Freundin und ich vor zwei Jahren bei einem sommerlichen Tagesausflug nach Freiburg Indianerschmuck im Schaufenster eine Ladens in einer der kleinen Gassen sahen, mussten wir uns nicht lange abstimmen, wir gingen gleich hinein. Es war gut, dass wir es nicht eilig hatten, denn für Eilige ist dieser Laden nichts. Hier was wir darin erlebt hatten:

Zunächst scheint der Laden leer.

„Ich bin gleich da.“ Es ist nicht ganz klar, wo die weibliche Stimme herkommt. Wegen der Akustik suche ich die Decken nach Kameras mit Lautsprechern ab. Vergeblich. Nach einigen Minuten, in denen wir uns in Ruhe den Vitrinen widmen, erscheint hinter einem hohen Schrank mit breiten flachen Schubladen die Besitzerin der Stimme.

Mühsam auf einem Spazierstock gestützt erklärt gemächlich alles, was wir anzuschauen scheinen. Dabei ist zunächst nicht ganz klar, ob sie uns hört, denn unsere Bekundungen, dass dieses Schmuckstück nicht so interessant sei, dafür die Steine daneben, ignoriert sie zunächst komplett. Als sie mit der begonnenen Beschreibung fertig ist, bekommen wir die Antwort auf unsere Frage. Das passiert ohne einen Wechsel im Ton oder Sprechgeschwindigkeit, ohne eine Ansprache oder sonstige Kennzeichnung der Änderung des Themas:

„…klar gibt es die Steine mit einem Adler. Das ist das mächtigste Wesen, das nach Hopi-Glauben mit der Geisterwelt kommuniziert.“

In der Auslage fehlt der Adler. Eine neue Ladung Steine sei angekommen, aber heute dürfe sie diese nicht verkaufen, erklärt uns die Dame in ihrem immer gleichmäßigen Ton. Was Quatsch sei, am Samstag die Ware nicht zu verkaufen, fügt sie an, während sie das Telefon ergreift und eine Nummer aus dem Kurzwahlspeicher wählt.

Hier sei eine Kundin, nicht aus Freiburg, ob sie die neue Ware verkaufen dürfe. Da diesmal ebenfalls weder eine Begrüßung noch Änderung im Ton eine andere Ansprechperson kennzeichnete, war ich irritiert. Als würde sie weiter mit mir über mich in dritter Person sprechen. Allein der Telefonhörer gibt den Hinweis, dass die Dame sich an jemand anderes wendet. Die Verkäuferin darf.

Als sie die Steine auf einem mit Stoff beschlagenem Tablett verteilt, fällt ein Stein herunter und zersplittert. Hilfe beim Auffegen nimmt die Dame, die sich nur langsam bewegt, nicht an. Sie würde das später selbst machen, erklärt sie. Aber mit der Kiste mit den neuen Steinen darf ich ihr helfen. Die Kiste ist auch wirklich schwer.

Während ich nach dem richtigen Stein suche, gibt sie mir eine kurze Zusammenfassung ihres Lebens.

Eine Flämin aus Belgien sei sie und habe einen sturen Schwaben geheiratet. Er sei inzwischen tot.

Bei einem Unfall haben ihre beiden Beine Verletzungen erlitten. Die anschließenden Behandlungsfehler seien dafür verantwortlich, dass sie nun so ist – dabei hebt sie den Spazierstock leicht zur Seite und stellt so ihre Beine zur Schau.

„Und das erst mit 89“, lacht sie. Den Laden habe sie inzwischen ihrem Sohn übergeben.

Meine Steine habe ich nun gefunden. Meine Freundin schaut sich Ohrringe mit schützender Hopi-Hand an. Es sind keine da, die ihr gefallen. Immer wieder erklärt die Dame die Muster und deren Bedeutung. Mich beschleicht der Verdacht, sie will gerade nicht hören, dass keins gekauft werden wird. Nach mehrfachen Bekundungen, dass keine der Ohrringe genommen werden, dürfen wir die Steine bezahlen und bekommen eine Visitenkarte mit: „Falls Sie morgen feststellen, Sie wollen die Ohrringe doch haben.“

An einem entspannten Tag verlassen wir noch etwas mehr entschleunigt den kleinen Laden.