Taxifahrer stellen die Koffer in das größte verfügbare Taxi, noch während der Gast abwägt, ob der höhere Preis es tatsächlich wert ist. Darf jemand für mich Entscheidungen treffen? Und wenn sie gut gemeint sind?
Es sind noch etwa drei Wochen bis zur Reise in meine Geburtstadt und ich kann mich nicht entscheiden, welcher Erinnerung ich nachspüren bzw. worüber ich schreiben möchte. Es gibt noch so viel. Auf der Suche danach, was für deutschsprachige Leserinnen und Leser interessant sein könnte, hörte ich neulich einen Podcast über einige Tage in Usbekistan. Das berichtende Paar war vom Land und Leuten begeistert. Da es wohl zum Format gehört, mussten sie am Ende noch sagen, was schlecht in Usbekistan war. Das Paar hat länger überlegen müssen, danach waren die beiden sich einig: Es waren die Taxifahrer, die einfach das Gepäck in einen Kofferraum gepackt hatten, ohne die Entscheidung des Paares für die größere oder die kleinere Beförderungsalternative abzuwarten.
In einer Kultur, in der es nicht geht, seine Wünsche zu äußern, gehört ein Hineinversetzen und für das Gegenüber im besten Sinne zu entscheiden einfach dazu. Im Zuhause meiner Kindheit war es ganz normal, dass Gäste unangekündigt kamen. Danach wurden sie als eine Art Ritual gefragt, ob sie essen wollen. Die Antwort war immer: „Nein, danke.“ Zum Ritual gehörte, dass reichlich aufgetischt wurde und unter Bekundungen, dass das alles gar nicht nötig gewesen wäre, wurde ausgiebig getafelt. Dabei spielte es keine Rolle, ob man gerade gegessen hatte. Wenn man nicht oder nur wenig aß – war das ein Zeichen, dass das Essen nicht schmeckte – wie unhöflich!, andere Gründe galten nicht.
Es war eine Umstellung als wir nach Deutschland kamen. Wenn wir zum Kaffee eingeladen wurden, dann gab es tatsächlich nur Kaffee. Vor dem Abendessen mussten wir gehen. Das fühlte sich ungewohnt an, als wären wir nicht willkommen. Andererseits, muss man als Gastgeberin nicht ständig für alle Eventualitäten vorbereitet sein. Ich kann die Einkäufe nach Bedarf planen und muss nicht den Kühlschrank „für alle Fälle“ voll haben.
Dieses Entscheiden im besten Sinne, das über einen hinweg passiert, hat einerseits etwas Entspannendes. Man kommt sich in vielen Situationen umsorgt vor. Es gehört jedoch auch zur Realität, dass gut gemeinte Entscheidungen nicht ausgeschlagen werden dürfen. Und da man grundsätzlich für andere immer nur im besten Sinne entscheidet – darf nichts ausgeschlagen werden.
Wenn man Geld verleiht, gleicht es (wohl immer noch) einer Ohrfeige nachzufragen, wann denn die Rückzahlung kommt, auch wenn die vereinbarte Frist längst verstrichen ist. Leider werden auch viel weitreichendere Entscheidungen für andere getroffen.
Vor vielen Jahren erfuhr ich, dass meine Klassenlehrerin noch relativ jung nach einer längeren Krankheit starb. Da ihre Kinder zu der Zeit dabei waren im Ausland Fuß zu fassen, wollte sie diese nicht behelligen und nahm ihnen die Entscheidung ab, den Aufwand sie zu besuchen auf sich zu nehmen. Ihre Kinder hatten nicht die Wahl, ihre Mutter nochmal sehen zu können. Eine Tat, die mir voller Bewunderung zugetragen wurde – wie selbstlos von der Frau.
Ist es das?